Digitale Gerechtigkeit als Voraussetzung für Teilhabe
Digitale Gerechtigkeit ist mehr als der gleiche Zugang zu Technik oder Bildung – sie meint gerechte Chancen zur digitalen Teilhabe. Während Gleichheit davon ausgeht, allen Menschen dieselben Mittel zur Verfügung zu stellen, berücksichtigt Gerechtigkeit die unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedarfe, mit denen Menschen an Digitalisierung herantreten. Nur wenn digitale Angebote und Strukturen so gestaltet sind, dass möglichst viele Menschen sie auch wirklich nutzen können, kann echte Teilhabe gelingen.
Digitale Inklusion ist dabei kein automatischer Effekt der Digitalisierung, sondern eine bewusste Gestaltungsaufgabe. Sie verlangt nach fair verteilten Ressourcen, nach diskriminierungssensibler Bildung und nach Strukturen, die niemanden ausschließen.
Grenzenlos Digital e. V. setzt sich für eine digitale Gesellschaft ein, die inklusiv, gerecht und partizipativ ist. Wir verfolgen einen intersektionalen Ansatz, der soziale Ungleichheiten – etwa durch Geschlecht, Herkunft, Bildung oder Aufenthaltsstatus – nicht isoliert betrachtet, sondern in ihrem Zusammenspiel.
Was ist digitale Gerechtigkeit?
Wer ist besonders von digitaler Ungerechtigkeit betroffen?
Ursachen digitaler Ungerechtigkeit
Wie gelingt digitale Gerechtigkeit?
Projekte und Bildungsangebote zur Förderung digitaler Gerechtigkeit
Was ist digitale Gerechtigkeit?
Digitale Gerechtigkeit beschreibt das Ziel, allen Menschen eine gerechte und selbstbestimmte Teilhabe an der digitalen Gesellschaft zu ermöglichen – unabhängig von ihren individuellen Voraussetzungen. Es geht dabei nicht nur um technischen Zugang, sondern um die faire Verteilung von Ressourcen, Bildungschancen und Gestaltungsmöglichkeiten im digitalen Raum.
Im Unterschied zu digitaler Gleichheit – also dem Angebot gleicher Mittel für alle – setzt digitale Gerechtigkeit dort an, wo Menschen mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen konfrontiert sind. Wer etwa keinen sicheren Internetzugang, keine digitalen Endgeräte oder keine ausreichende Sprachkompetenz hat, braucht andere Unterstützung als jemand mit stabilen Bildungs- und Erwerbsbiografien.
Digitale Gerechtigkeit ist eng mit digitaler Inklusion verbunden: Inklusive digitale Strukturen nehmen Barrieren aktiv in den Blick und gestalten Lern-, Informations- und Beteiligungsräume so, dass alle sie nutzen können – auch Menschen mit Behinderungen, geringen Sprachkenntnissen oder komplexen Lebensrealitäten.
Dabei ist digitale Gerechtigkeit immer auch eine Frage sozialer Verantwortung und politischer Gestaltung. Es reicht nicht, auf individuelle Defizite zu verweisen – vielmehr braucht es strukturelle Ansätze, die Vielfalt anerkennen, Diskriminierung abbauen und gesellschaftliche Teilhabe aktiv ermöglichen.
Wer ist besonders von digitaler Ungerechtigkeit betroffen?
Digitale Gerechtigkeit setzt voraus, die digital besonders verletzlichen Gruppen (digital vulnerable groups) in den Blick zu nehmen. Dazu zählen Menschen, die durch mehrfache soziale, ökonomische oder strukturelle Barrieren vom digitalen Wandel ausgeschlossen sind – und zwar nicht nur passiv, sondern aktiv durch die Art, wie digitale Systeme und Bildungsangebote gestaltet sind.
Zu diesen Gruppen gehören u. a.:
-
Geflüchtete und migrantische Frauen, die mit Sprachbarrieren, unsicheren Aufenthaltsverhältnissen und fehlender Anerkennung ihrer Qualifikationen konfrontiert sind
-
Menschen mit geringer formaler Bildung, denen oft grundlegende digitale Lernzugänge fehlen
-
Menschen mit Behinderungen, für die digitale Angebote nicht barrierefrei gestaltet sind
-
Menschen höheren Alters, die in einer sich schnell wandelnden digitalen Welt ohne unterstützende Bildungsformate zurückgelassen werden
-
Jugendliche und junge Erwachsene in prekären Lebenslagen, die zwischen technischer Affinität und struktureller Exklusion stehen
Diese Gruppen sind keine homogene Masse – ihre Bedarfe, Erfahrungen und digitalen Realitäten sind unterschiedlich und oft fragmentiert: Manche haben hohe digitale Alltagskompetenz auf dem Smartphone, aber nie gelernt, eine Online-Bewerbung zu schreiben oder mit digitalen Behördensystemen umzugehen. Andere verfügen über technisches Know-how, aber es fehlt ihnen an Vertrauen in digitale Informationsquellen oder an Schutz vor Online-Diskriminierung.
Studien zeigen, dass diese Menschen stärker von den negativen Auswirkungen der Digitalisierung betroffen sind – sei es durch algorithmische Diskriminierung, digitale Überwachung, Desinformation oder den Ausschluss von sozialen und beruflichen Chancen. Während andere vom digitalen Fortschritt profitieren, verstärken sich für sie bestehende Ungleichheiten.
Ursachen digitaler Ungerechtigkeit
Digitale Ungerechtigkeit entsteht nicht einfach dadurch, dass einzelne Menschen digitale Angebote „nicht nutzen können“ – sie ist das Ergebnis tief verwurzelter gesellschaftlicher Ungleichheiten, die sich im digitalen Raum fortsetzen und zum Teil sogar verstärken. Zu den zentralen Ursachen gehören:
1. Soziale und ökonomische Ungleichheit
Menschen mit geringem Einkommen oder unsicherem Aufenthaltsstatus haben oft keinen Zugang zu stabilen Internetverbindungen, digitalen Endgeräten oder sicheren Lernräumen. Diese materielle Ungleichheit bildet die Basis für viele Formen digitaler Exklusion.
2. Mangel an diskriminierungssensiblen Bildungsangeboten
Viele digitale Bildungsformate setzen technisches Vorwissen, sprachliche Sicherheit oder formale Bildung voraus. Menschen mit anderen Lernbiografien oder intersektionalen Diskriminierungserfahrungen werden dadurch strukturell ausgeschlossen.
3. Einseitige Digitalisierungspolitik
Politische Digitalisierungsmaßnahmen orientieren sich häufig an einer technikzentrierten oder wirtschaftlich leistungsorientierten Perspektive. Die sozialen Voraussetzungen und Bedarfe von benachteiligten Gruppen werden dabei zu wenig mitgedacht.
4. Kulturelle und sprachliche Barrieren
Digitale Angebote sind oft nur in der Mehrheitssprache und aus einer dominanten kulturellen Perspektive gestaltet. Menschen mit anderen Erstsprachen, kulturellen Referenzpunkten oder Lebensrealitäten erleben dadurch zusätzliche Ausschlüsse.
5. Strukturelle Diskriminierung in digitalen Systemen
Algorithmen, Plattformen und digitale Infrastrukturen sind nicht neutral. Sie spiegeln bestehende gesellschaftliche Machtverhältnisse wider – etwa durch rassistische oder sexistische Verzerrungen in Suchmaschinen, Bewerbungsprozessen oder Empfehlungslogiken.
6. Fehlende politische Repräsentation und Mitgestaltung
Menschen, die von digitaler Ungleichheit betroffen sind, werden selten in Entscheidungsprozesse einbezogen. Ihre Perspektiven fehlen in der Gestaltung von Bildungsprogrammen, digitalen Verwaltungsleistungen oder Plattformregulierungen – was zu blinden Flecken in der Entwicklung führt.
Wie gelingt digitale Gerechtigkeit?
Digitale Gerechtigkeit entsteht dort, wo Teilhabe konkret wird. Das bedeutet:
-
Barrieren abbauen: z. B. durch mehrsprachige Bildungsangebote, digitale Zugänge in sozial benachteiligten Räumen oder anpassbare Lernformate
-
Kompetenzen fördern: durch niedrigschwellige und praxisnahe Vermittlungsangebote
-
Bildung inklusiv gestalten: unter Einbezug von Nutzer:innenperspektiven und mit einem intersektionalen Blick
-
Politische Rahmenbedingungen verändern: durch Sensibilisierung, Forschung und strukturelle Empfehlungen
Grenzenlos Digital e. V. entwickelt Formate, Materialien und Fortbildungen, die genau hier ansetzen – mit dem Ziel, nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern strukturelle Veränderungen anzustoßen.
Projekte und Bildungsangebote zur Förderung digitaler Gerechtigkeit
Wir gestalten praxisnahe Bildungsangebote, die soziale Gerechtigkeit und digitale Teilhabe zusammen denken, schulen Fachkräfte in inklusiver Bildungsarbeit in Workshops und erforschen strukturelle Ausschlüsse und veröffentlichen Handlungsempfehlungen für Politik, Bildung und Gesellschaft. Unsere Projekte richten sich an unterschiedliche Gruppen und verbinden Forschung, Praxis und Empowerment.
Unsere aktuellen Angebote:
-
Online-Kurs „Digital fit für den Arbeitsmarkt“ – für geflüchtete Frauen mit Care-Verantwortung
-
Workshops für Fachkräfte – zu inklusiver Bildungsarbeit, z. B. bei der ECIL 2025
-
Forschung & Handlungsempfehlungen – z. B. zur Gestaltung gerechter KI-Systeme
→ Publikation: Digitale Gerechtigkeit als Gestaltungsaufgabe
Sie möchten mehr wissen oder selbst mitwirken? Nutzen Sie unser Kontaktformular.